Der Mittelstand als einladender Arbeitgeber

Das Mittelstandsbarometer 2017 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young ergab, dass mehr als 75 Prozent der mittelständischen Unternehmen Schwierigkeiten beim Finden passender Mitarbeiter haben. Dadurch gehen etwa 49,4 Mrd. Euro Umsätze verloren. Die klassische Stellenausschreibung ist nicht mehr genug – auch in Sachen Personal muss das Bewusstsein Richtung Markenführung gehen.

Neues Jahr, neue Vorsätze
Der Jahreswechsel führt oft in Richtung Jobwechsel: Auch wenn Menschen dann vielleicht noch keinen neuen Vertrag in der Tasche haben, so nutzen sie doch häufig die Zeit nach dem Fest, um eigene Wege  auszuloten. Hier greifen dieselben Mechanismen wie im Produkt- und Leistungsmarketing, und noch mehr: Arbeit hat heute ganz andere Sinninhalte für viele Menschen. Der finanzielle Aspekt ist nur eine Seite der Medaille. Das Image eines Unternehmens, die Benefits für Arbeitnehmer rücken immer stärker in den Fokus. Insbesondere Mittelständler, die händeringend gutes Personal suchen, sollten sich für das neue Jahr das Projekt „Arbeitgebermarke“ auf die Fahne schreiben.

Das Prinzip der geteilten Identität
In Unternehmen existieren oft zwei Welten nebeneinander, ja bisweilen sogar völlig entgegengesetzt: die Welt der Kunden und die Welt der Mitarbeiter. Erste nehmen ein Unternehmen anders wahr als letzte. Vorbildlich ist natürlich, wenn beide Dimensionen von derselben Leitkultur getragen werden Auch in mittelständischen Unternehmen kümmern sich meist zwei verschiedene Kommunikatoren um zwei verschiedene Adressaten: Das Marketing spricht Kunden an, die Personalabteilung den Mitarbeiter. Beide aber gehören zu einem Unternehmen und sollten daher nach dem Prinzip der sogenannten Shared Identity handeln. Das heißt: Beide kommunizieren dieselben Werte und Botschaften. Kunden- und Arbeitgebermarke müssen übereinstimmen. Arbeitnehmer ermöglichen den Kunden schöne Kauferlebnisse. Oft herrschen aber hinter den Kulissen andere Emotionen. Immer wieder hört man von Betrieben, die die Arbeitsbedingungen eher spartanisch halten. Eine glaubhafte Arbeitgebermarke wird man nur, wenn die Unternehmenswerte auch nach innen gelebt werden. Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen verspricht seinen Käufern paradiesische Erlebnisse. Und dann rügt die Teamleiterin lautstark ihre Angestellten, während der Kunde im Geschäft stöbert. Diese Diskrepanz fällt auf und wirkt sich unter Umständen negativ aus. Wenig glaubhaft wirkt man auch, wenn zum Beispiel der Meeting Raum für die Kunden nagelneu ist und die Möbel vom Feinsten sind. Der Pausenraum für die Mitarbeiter ist jedoch völlig runtergekommen, die Mikrowelle ist schon lange defekt und es ist insgesamt wenig einladend. Was dann nach außen und innen gelebt wird, passt einfach nicht zusammen.

Employer Branding als echte Aufgabe betrachten
Wie können Mittelständler den Einklang beider Markenaspekte also fördern? Zu allererst, indem sowohl den Kunden als auch den Mitarbeitern dasselbe Maß an Aufmerksamkeit und Respekt zukommt. Denkbar ist beispielsweise die Ergänzung des Markenversprechens nach außen (Claim) um einen „Personalslogan“: Wofür steht das Unternehmen als Arbeitgeber? Führungskräfte sollten stets daran denken, dass jeder Mitarbeiter auch ein Kunde der Firma werden kann – und sich unter Kunden auch potenzielle Mitarbeiter befinden. Das Wohl des Mitarbeiters ist Managementaufgabe.
Fortführend gilt es, ein strategisch durchdachtes Employer Branding zu lancieren. Hinter diesem Begriff steht der Aufbau der Arbeitgebermarke. Der (mögliche) Mitarbeiter wird analog zum Kunden als Interessent betrachtet, der sich für ein Produkt bzw. eine Marke entscheidet. Neben dem Gewinnen und Halten von Personal zielt Employer Branding auch darauf ab, eine Unternehmenskultur zu etablieren, die mit erhöhter Leistungsbereitschaft und der Schärfung des Unternehmensimages einhergeht. Basis des Employer Brandings ist wie beim Kundenpendant die Analyse des Unternehmens, das Herausarbeiten von Zielgruppen und verbundenen Bedürfnissen, der Alleinstellungsmerkmale und Nutzen für Arbeitnehmer. Die Strategie und Umsetzung folgt denselben Mechanismen wie das Produkt- oder Leistungsmarketing.

Attraktivität nach außen und innen
Im Zentrum der Bemühungen steht nicht ausschließlich die Qualifikation. Wissen ist etwas, das man sich aneignen kann. Sozialkompetenz, Werte und Weltanschauung hingegen sind Größen, die ein Mensch bereits mitbringt und die schwer veränderbar sind. Durch eine geeignete Ansprache und ausgewählte Kommunikationskanäle wenden sich Unternehmen an diejenigen Persönlichkeiten, die vom Wesen und den Fähigkeiten her eher passen. Employer Branding orientiert sich nicht allein am Recruiting, sondern leistet auch in der Bestandsmannschaft seine Dienste. Mitarbeiter, die zufrieden sind, bringen mehr Leistung – und das freiwillig. Wer sich als Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber stark identifiziert, wird zum besten Werber. Der Aufbau und die Pflege der Arbeitgebermarke ist deshalb auch immer eine langfristige Angelegenheit. Oberstes Gebot: Versprechen einhalten. Wer nach außen mit grandiosen Arbeitsbedingungen wirbt und sie in der Praxis nicht vorweisen kann, riskiert einen nachhaltigen Imageschaden.

Die positiven Effekte des Employer Brandings liegen klar auf der Hand:

  • stärkere Identifikation von Mitarbeitern mit dem Unternehmen (Mitarbeiterbindung, Leistungssteigerung)
  • wachsende Bekanntheit
  • mehr PR durch die eigenen Mitarbeiter
  • angenehmes Betriebsklima
  • besseres Unternehmensimage, Festigung der Markenwerte
  • steigende Leistungsbereitschaft
  • stärkerer Teamgeist, besserer Zusammenhalt
  • qualitativ und quantitativ bessere Arbeitsresultate
  • weniger Ausfall durch Krankheit
  • mehr Bewerbungen von passenden Kandidaten oder überhaupt Bewerbungen

Für den Anfang spricht der Deutsche Marketing Verband eine klare Empfehlung aus: „Die Charaktereigenschaften eines Arbeitgebers erfährt man nicht am Schreibtisch. Es geht kein Weg daran vorbei, Vertreter wichtiger Zielgruppen danach zu fragen, was sie mit dem jeweiligen Unternehmen als Arbeitgeber verbinden.“

Die Kluft zwischen Theorie und Praxis
Welche Fragen hier zu stellen sind, um die Antworten für ein wirksames Employer Branding verwenden zu können, sollten Mittelständler mit internen oder externen Kommunikationsprofis erarbeiten. Auch in der Ableitung der Arbeitgebermarke leisten erfahrene Markenspezialisten beste Komplizendienste, schließlich sind die Ergebnisse aus Analyse und Konzept in effektive Medien und Maßnahmen zu überführen. Wichtigstes Argument für die Konsultation externer Fachleute aber ist die Objektivität. Das Jobportal Monster und die Universität Bamberg stellten in ihrer Studienreihe zu Recruiting Trends fest, dass die vermeintlich tollen Angebote von Unternehmen und die Erwartungen von Arbeitnehmern auseinanderklaffen. Die vorangegangene Untersuchung hatte Attraktivitätsmerkmale für einen Arbeitgeber erfragt: „’Gutes Arbeitsklima’ und ‘ansprechende Gehälter’ wurden von den Kandidaten dabei als wichtige, aber inzwischen selbstverständliche Hygienefaktoren bewertet. Ein echtes Leistungsplus in Sachen Attraktivität stellten dagegen Merkmale wie ‘Wertschätzung der Work-Life-Balance’, ‘Weiterbildung’ oder ‘flexible Arbeitszeitmodelle’ dar. An der Spitze der Bewertung, als Merkmale mit echtem Begeisterungspotential, fanden sich ‘Angebot von Home-Office’ und ‘Flache Hierarchien’.“

Die Trends 2017 jedoch zeigten, dass Unternehmen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse reagieren. Nur etwa 40 Prozent der Befragten in der Studie waren mit der Umsetzung der Attraktivitätsmerkmale zufrieden. Die von Unternehmen oft ins Feld geführten Benefits wie gutes Arbeitsklima, Weiterbildung und sicherer Arbeitsplatz rangieren also längst noch nicht als Selbstverständlichkeit, sondern werden noch immer als Arbeitgebermarkenkern gehandelt. Der sichere Arbeitsplatz „erreichte mit 36 Prozent zufriedener Kandidaten“ immerhin den höchsten Wert. Bei den für die Kandidaten wichtigen Merkmalen konnten die Unternehmen mit flachen Hierarchien 32,5 Prozent zufrieden stellen. Die Weiterbildungsmöglichkeiten erhielten mit 19,3 Prozent dagegen den zweitschlechtesten Wert, obwohl dieses Merkmal auch bei den Unternehmen im Fokus steht. Das Angebot von Home-Office und die Wertschätzung der Work-Life-Balance fanden dagegen nur rund ein Viertel zufriedenstellend. Ein Ergebnis, das besonders schwer wiegt, da gerade die Work-Life-Balance für 86,1 Prozent der Kandidaten sehr wichtig ist. Rund die Hälfte von ihnen würde dafür sogar Gehaltseinbußen akzeptieren. „Obwohl auch der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen klar ist, dass eine umfassende Gestaltung der Work-Life-Balance viele Vorteile bietet und die Rekrutierung erleichtert, hat nur etwa ein Drittel eine Strategie dazu“, so Studienleiter Prof. Dr. Weitzel. „Unternehmen und Mitarbeiter lernen gerade die Vorteile und Grenzen kennen. Und Vorreiterunternehmen beginnen, die Arbeit der Zukunft zu gestalten und nicht nur darüber zu reden.“ (Quelle: Pressemitteilung Monster Worldwide Deutschland GmbH, 28.06.17)

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